S. Linden, 10. Oktober 2023
Hinweise, Tipps und Tricks・Im Folgenden listen wir typische stilistische und sprachliche Fragen und Probleme auf, die uns bei unserer Arbeit an mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehr- und Lerntexten immer wieder begegnen. Sie sind nicht hier nicht zum „Durchlesen“ aufgeführt, sondern wir verweisen in unserem Lektorat an geeigneten Stellen per Hyperlink auf den jeweiligen Eintrag in dieser Liste.
Veralteter Sprachgebrauch
▸ welche / welcher / welches
als Relativpronomen
Der Gebrauch von welche oder welcher oder welches als Relativpronomen wirkt veraltet. Nutzen Sie stattdessen die, der oder das als Relativpronomen:
Gut zu wissen: In der Regel sollten Sie die, der und das auch dann bevorzugen, wenn direkt auf das Relativpronomen ein identisch lautender Artikel folgt:
Komplexe Sprache
▸ Streckverbgefüge
(auch Funktionsverbgefüge oder Streckform)
Im Deutschen werden oft formal anmutende sprachliche Wendungen benutzt, in denen die Funktion eines Verbes auf eine Nominalisierung (▸ Nominalstil) übertragen wird. Da der Satz aber weiterhin ein Verb benötigt, kommen Sie bei diesen Wendungen in die Bredouille, ein irgendwie passendes Verb finden zu müssen, dass jedoch kaum noch Inhalt transportiert. Sie können dies vermeiden und Ihren Text lesbarer machen, indem Sie die Funktion des Verbs beim Verb belassen und auf die Nominalisierung verzichen:
Gut zu wissen: Die Bezeichnung Streckverbgefüge zeigt an, dass sich die Funktion des Verbs auf die Nominalisierung erstreckt.
▸ Hypertaktischer Stil
Hypertaktischer Stil beschreibt kurz gesagt einen Schachtelsatzstil – also einen Sprachstil, in dem teils mehrere untergeordnete Satzteile (Nebensätze) unter den Hauptsatz subsumiert werden. Es entstehen Satzgefüge. In der deutschen Sprache gibt es zahlreiche kunstvolle Beispiele für sehr komplexe Satzgefüge. Für Texte mit didaktischer Intention sollten Sie jedoch auf komplexe Satzstrukturen verzichten, um nicht vom Lerngegenstand abzulenken. Folgendes Highlight aus unserer Tätigkeit, Physik Oberstufe:
Wird ein Körper mit der elektrischen Ladung q längs des radialen Weges s durch die Kraft F, die in jedem Punkt P des Weges entgegengesetzt gleich der elektrischen Feldkraft Fel in diesem Punkt auf die Ladung q ist, vom Punkt P1 bis zum Punkt P2 verschoben, so ist dazu die Energie W nötig, die als potenzielle Energie im System aus elektrischem Feld und elektrisch geladenem Körper gespeichert wird.
Schreiben Sie stattdessen:
Gut zu wissen: Das Gegenteil von hypertaktischem Stil heißt parataktischer Stil. Er besteht aus einer Aneinanderreihung von einfachen Hauptsätzen und ist beim Verfassen didaktischer Texte in der Regel zu bevorzugen: Subjekt Prädikat Objekt. Subjekt Prädikat Objekt. Subjekt Prädikat Objekt. ...
▸ Nominalstil
Besonders in behördlichen, aber auch in fachsprachlichen Texten wird oft ein Verb durch ein verwandtes Nomen ersetzt (siehe auch ▸ Streckverbgefüge). Im Hauptsatz nimmt dieses Nomen dann den Platz des Subjekts ein, der Satz wirkt unpersönlich. Dort, wo Lehr- und Lerntexte motivierenden oder auffordernden Charakter haben (und das sollten sie häufig), verzichten Sie besser darauf:
Gut zu wissen: Das Gegenteil des Nominalstils heißt Verbalstil. Im Verbalstil nutzen Sie viele Verben und wenige Substantive. Den Verbalstil empfinden Lesende als lebhafter.
▸ attributive
Linkserweiterung
Klingt sperrig, ist es auch. Darunter versteht man eine Konstruktion, bei der Eigenschaften eines Nomens vor dem Nomen platziert sind. Zum Beispiel in „Dabei übersah sie fahrlässig den StVO-gerecht auf dem Schutzstreifen rechts an ihr vorbeifahrenden Radfahrer, sodass es zum Unfall kam.“ Solche Einschübe nötigen die Lesenden dazu, Informationen zu einem Nomen aufzunehmen, von dem sie noch nicht wissen. Oft muss eine solche Konstruktion daher zweimal gelesen werden, sie hemmt den Lesefluss. Schreiben Sie daher:
Unverständliches
▸ beziehungsweise
Haben Sie schonmal über das Wort beziehungsweise nachgedacht? Sie werden feststellen, dass es sowohl und als auch oder bedeuten kann. Und oft genug bleibt leider unklar, ob nun und oder oder gemeint ist. Dauras resultierende Verständnisschwierigkeiten können Sie vermeiden, indem Sie auf den Gebrauch dieses hinterhältigen Worts verzichten.
Gut zu wissen: Selbst in vermeintlich klaren Fällen sollten Sie völlig unzweideutige Formulierungen bevorzugen:
▸ Passivkonstruktionen
Passivkonstruktionen können Ihre Lesenden im Unklaren lassen über die Handelnden. Gerade bei Aufforderungen und Anweisungen kann Ihr Text dadurch unverständlich werden. Jedoch auch bei der Beschreibun von mathematischen oder naturwissenschaftlichen Zusammenhängen können Passivkonstruktionen die tatsächlichen Wirkzusammenhänge verschleiern. Schreiben Sie daher wo immer möglich Sätze, in denen einen Subjekt etwas tut. So wird deutlich, wer was macht. (Und wer was nicht macht.)
▸ Deixis
Es geht um Wörter, die auf Personen, Gegenstände, Orte oder Zeiten verweisen.
BAUSTELLE
▸ usw.
Eine Aufzählung mit „usw.“ fortzusetzen ergibt nur Sinn, wenn die Lesenden die Liste auch tatsächlcih innerlich fortsetzen können. Etwa die sortierte Liste natürlicher Zahlen (1, 2, 3 usw.) kann gedanklich sinnvoll fortgesetzt werden. Eine Liste von Beispielen etwa, die Wissen voraussetzt, das nicht vorausgesetzt werden kann, dürfen Sie Ihre Leserschaft nicht mit einem „usw.“ überlassen:
Kleine und große Lesehürden
▸ Abkürzungen
Abkürzungen in Fließtexten können besonders für Ihr leseschwächeres Publikum Hürden darstellen, die das Erreichen der Ziele Ihres Texts erschweren. Sie möchten Ihren Leserinnen und Lesern in der Regel anderes beibringen, als Abkürzungen lesen zu können. Schreiben Sie daher:
▸ Klammern
Vermeiden Sie Einschübe in Klammern. Lösen Sie die Einschübe in Satzteile auf. Es geht öfter, als Sie denken, und manchmal werden Sie merken, dass der Einschub überflüssig war, oder dass die Notwendigkeit eines Einschubs ein Hinweis auf eine Schwäche des umgebenden Textes ist, oder dass es mit einem kurzen Klammereinschub nicht getan ist und Sie etwas weiter ausholen müssen.
▸ Genitiv-„e“s
Maskuline und neutrale Substantive, die auf „en“, „em“, „el“, „er“ oder mit der Verkleinerungssilbe „chen“ oder „lein“ enden, tragen im Genitiv die Endung „s“ (des Experimentierens, des Reglers, des Zuschauers, des Teilchens, des Büchleins).
Maskuline und neutrale Substantive, die auf einen Zischlaut enden, beispielsweise „ss“, „z“ und „tz“,, tragen im Genitiv die Endung „es“ (des Stromflusses, des Satzes, des Reflexes).
Weiter nach Duden: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Genitiv-auf-s-oder-es